Panoramawanderung am Hardergrat

Einen Tag vor der Wanderung packte ich den Karton mit unseren Wandersachen aus. Viel zu lange habe ich die schöne und bequeme Ortovox-Wanderhose nicht mehr getragen. Meine gemütlichen Wanderschuhe von Lowa habe ich ebenfalls vermisst. Ich freute mich riesig den Wanderrucksack aus dem Schrank zu holen und ihn mit Proviant für das nächste Wanderabenteuer zu befüllen. Hierzu habe ich voller Vorfreude ein paar Quarkbrötchen mit Heidelbeeren extra für unseren Wandertrip gebacken, während Marc die Wasserblasen befüllte. Am nächsten Tag standen wir früh auf, denn die Fahrt von Basel nach Interlaken dauert ca. 1:45 Std mit dem Auto. In Interlaken angekommen parkten wir auf dem östlichen Bahnhof der Stadt und spazierten zur Harderbahn, die uns hoch hinauf zum Harder Kulm (1323m) beförderte. Von dort aus startete letztlich unsere schöne Wandertour.

Der Wegverlauf

Die Aussicht von dem Harder Kulm ist atemberaubend schön. Von dort oben schaut man auf den türkisblauen Brienzer- und Thunersee hinunter und hat eine wunderschöne Aussicht auf die umliegende Bergwelt (inklusive Berner Hochalpen). Von dem Harder Klum ging es steil in den Nadelwald hinein. Zwischen Tannenbäumen liefen wir auf einem von Wurzeln bewachsenem Waldweg stetig hoch. Eine gewisse Kondition war zwar erforderlich, doch anspruchsvoll war der Anstieg nicht. Wir begegneten unterwegs einigen Joggern und Wanderern. Unsere erste Pause machten wir nach einigen Höhenmetern auf einem lichten Hang mit herrlichem Ausblick über das Tal. An diesem schönen Ort hatte ein kluger Mensch eine nunmehr verwitterte Bank aufgestellt auf der wir endlich unsere Quarkbrötchen kosten konnten. Die Brötchen waren gar nicht so schlecht, doch ich hatte sie mir etwas saftiger vorgestellt hehe*. Während des Essens genossen wir den schönen Tiefblick auf den Brienzersee. Es klarte etwas auf – die Wolken wurden weniger und die Sonne begrüßte uns mit ein paar warmen Sonnenstrahlen.

Nach einem ca. zweistündigen Marsch durch den Wald lichteten sich die Bäume. Wir kamen auf eine großflächige Hochebene. Ein schmaler Weg wies uns die Richtung. Direkt vor uns sahen wir ganz deutlich den scharfen Berggrat. Als der Weg immer schmaler, felsiger und abgesetzter wurde, war klar: wir laufen auf dem berüchtigten Hardergrat. Es ging steil im Zick Zack hoch. Unser Ziel: Das Augstmatthorn (2137m). Vom Augstmatthorn folgten wir dem Weg runter zur Lombachalp. Es war kurz nach 17 Uhr als wir an der Alp und der kleinen Busstation ankamen. Der Busplan verriet uns, dass wir den letzten Bus nach Interlaken knapp verpasst haben. Wie wir von der Lombachalp zurück zu unserem Auto kamen ist eine schöne Nebengeschichte, die ich dir gerne im letzten Abschnitt des Beitrags erzähle.

Die Steinböcke auf dem Hardergrat

Auf dem Hardergrat konzentrierte ich mich beim Hochgehen auf den schmalen Weg und meine Schritte. Deshalb schaute ich meist nach unten. Als ich in einem Moment wieder hochschaute, erschrak ich kurz. Nur wenige Meter vor mir stand ein großes Steinwild. Als ich mich umschaute waren da noch mehr von meinen Artgenossen. Sie schauten uns an, genauso wie wir sie beobachteten. Die meisten Steinböcke waren von unserer Existenz jedoch ziemlich unbeeindruckt und grasten oder sonnten sich am Hang. Im Hintergrund das wunderschöne Bergpanorama. Ein herrlicher Anblick!

Wir kamen dem Steinwild so nah, wie noch nie zuvor. Das weiche Fell, die mächtigen Hörner und die Schlitzaugen des Steinwilds so nah zu sehen, machte uns beide sprachlos und überglücklich. Wir hören uns ständig sagen: „WOW“ oder „Wie schön sie sind“, „Wahnsinn!“. Wir hielten trotzdem einen gewissen Abstand zu den Tieren ein. Nicht nur aus Bammel vor den riesigen Waffen, die sie auf dem Kopf trugen, sondern auch aus Respekt. Jeden Tag laufen dort unzählige Menschen entlang und spazieren durch ihr Wohnzimmer… Eine respektvolle Distanz und Ruhe ist dann wohl das Mindeste, das sie erwarten dürfen. Doch kein Wunder, dass der Steinbock sich nicht beirren lässt. Er ist der König der Berge und hat keine natürlichen Feinde dort oben. Er hat im Normalfall nichts zu befürchten.

Und weil die Steinböcke so entspannt mit Fremden umgehen, wurden sie um 1850 in der Schweiz ausgerottet. Es war wie heute in einigen Ländern mit dem Horn eines Nashorns. Man schrieb dem Horn und vielen anderen Körperteilen des Steinbocks magische und heilende Kräfte zu. Die weltweit letzten Steinböcke lebten in Norditalien. Es soll Robert Mader, ein Hotelier und Mäzen aus St. Gallen gewesen sein, der sich in den Kopf setzte das Steinwild in der Schweiz wieder anzusiedeln. Er soll es auf illegale Art geschafft haben aus Norditalien ein paar Kitze zu beschaffen und sie zuerst in einem Wildpark aufgezogen und anschließend ausgewildert zu haben. Heute können wir die prächtigen Tiere wieder in der Natur bestaunen!

Auf dem Hardergrat zum Augstmatthorn

Das Panorama auf dem Hardergrat ist malerisch. An beiden Seiten des Weges geht es ziemlich steil runter und der Weg ist sehr schmal. Der Aufstieg zum Augstmatthorn, das 2137 m hoch ist, war phänomenal dank unserer Begegnung mit den Steinböcken. Aber auch der Gipfel, an dem wir rasteten, hatte einige Highlights zu bieten. Als es aufklarte bot sich uns eine grandiose Bergkulisse und die Alpen schienen ganz nah. Eiger, Mönch und Jungfrau, vielleicht neben dem Matterhorn die drei berühmtesten Berge der Schweiz, präsentierten ihre Gletscher in gleißendem Sonnenschein.

Zwei junge Pärchen aus der Schweiz waren zeitglich mit uns auf dem Gipfel und erwärmten roten Glühwein unter einer Gaskocher-Flamme. Da sie offenbar unsere gierigen Blicke bemerkt hatten, boten sie uns einen Becher an. Gemeinsam stießen wir auf den schönen Tag, das atemberaubende Panorama und auf die Steinböcke an. 

Marc vor dem Hardergrat
Der Gipfel

Der Abstieg und die Rückkehr zum Auto

Der Weg vom Augstmatthorn runter zur Alp war eigentlich gemütlich. Ich merkte jedoch schnell den stechenden Schmerz in meinen Knien. Beide Knie haben reklamiert (Schweizer Ausdrucksweise geht mir langsam in Fleisch und Blut). Weil mir dieses Problem schon bekannt ist, wandere ich meistens mit Wanderstöcken. Sie sind beim Abstieg ein hervorragendes Hilfsmittel und entlasten die Kniegelenke, sodass ich länger schmerzfrei laufen kann. Auch seitliches Gehen, das total dämlich aussieht, hilft in den meisten Fällen für kurze Zeit.

An der Lombachalp und einer asphaltierten Straße angekommen, schauten wir uns den Busplan an. Der letzte Bus fuhr um 17 Uhr ab. Wir hatten 17:15 Uhr. Es sah so aus, als würden wir die nächsten 1 1/2 bis 2 Stunden der Straße nach unten folgen müssen, um zurück zu unserem Auto zu kommen. Wir fügten uns unserem Schicksal und liefen los. Dann kam die Idee: Wir trampen! Vielleicht würde jemand, der von der Alp runterfuhr, anhalten und uns ein Stück mitnehmen. Als Marc den Daumen raushielt fuhren zuerst zwei Autos an uns vorbei. Das dritte hielt scheinbar ohne Zögern an. Ein älterer Herr mit einem Lächeln im Gesicht stieg aus. Er stelle nur eine Frage: „Wohin sollen wir euch fahren?“. Sein Mann winkte uns freundlich zu. Die beiden erzählten uns während der  Fahrt von ihrer Heirat und ihrer 50-jährigen Partnerschaft. Und wie der Zufall es so wollte, haben die beiden Männer auch eine längere Zeit in Basel gelebt.

Die Fahrt nach Hause
Abstieg vom Hardergrad

Nach einer ca. 20-minütigen Autofahren, standen wir wieder am Bahnhof in Interlaken. Beide Männer stiegen aus und verabschiedeten sich ganz herzig (das sagt man hier tatsächlich so) mit einem festen Händedruck. Nicht nur, dass die beiden unseren Abend gerettet haben, sie bescherten uns auch spannende Erzählungen über Basel und ihr Leben. Auch ihre Eigenart als Paar war sehr unterhaltsam. Solche Begegnungen machen das Leben bunter!

Eine herrliche Panoramawanderung auf dem Hardergrat und Dank unseren beiden Helden mit einem gelungenen Tagesabschluss.

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2 Comments

  1. Katarzyna

    Schön beschrieben, klingt nach einer super Wanderung und ganz vielen tollen Begegnungen 🥰🤩.

    1. Magda

      Das stimmt, da waren so einge schöne Begegnungen dabei! 🙂

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